Wien ist weltberühmt für seine Kaffeehauskultur, eine Tradition, die seit Jahrhunderten floriert. Während die Stadt heute viele trendige, moderne Cafés mit handwerklichen Baristas beherbergt, konzentrieren wir uns auf die klassischen, altmodischen Kaffeehäuser, in denen man sich in die Zeit der Habsburger Monarchie zurückversetzt fühlt. Hier bedienen Ober“ in eleganten Anzügen oder Smokings die Gäste, und es duftet nach frisch gebrühtem Kaffee und Gebäck. Dies sind die Orte, an denen die Zeit stehen bleibt und man den historischen Charme Wiens auf sich wirken lassen kann.
Ein Blick in die Geschichte
Das erste Kaffeehaus in Wien wurde im späten 17. Jahrhundert eröffnet, nicht lange nach der osmanischen Belagerung von 1683. Die Legende besagt, dass die fliehende osmanische Armee Säcke mit Kaffeebohnen zurückließ, die ein geschäftstüchtiger polnischer Kaufmann namens Georg Franz Kolschitzky nutzte, um die ersten Tassen Kaffee in Wien zu brühen. Damit war die Tradition der Wiener Kaffeehäuser geboren.
Im 19. Jahrhundert wurden diese Lokale zu intellektuellen Zentren, in denen sich Schriftsteller, Künstler, Musiker und Politiker trafen, um Ideen zu diskutieren und Geschichten auszutauschen. Das Kaffeehaus war mehr als nur ein Ort zum Kaffeetrinken – es war eine soziale Einrichtung. Schriftsteller wie Stefan Zweig und Karl Kraus, Philosophen wie Ludwig Wittgenstein und sogar Persönlichkeiten wie Sigmund Freud zählten zu den Stammgästen und trugen dazu bei, dass Wien als kulturelles und intellektuelles Zentrum Europas galt.
Im Kaffeehaus schien die Zeit keine Rolle zu spielen. Die Menschen verweilten stundenlang, lasen die Tageszeitungen oder spielten Schach, und das alles für den Preis eines einzigen Kaffees. Diese Tradition wird auch heute noch fortgesetzt, denn die meisten Wiener Kaffeehäuser bieten nach wie vor eine große Auswahl an Zeitungen an und laden die Gäste zum Verweilen ein.
Anekdoten aus dem Wiener Kaffeehausleben
- Café Central: Das vielleicht berühmteste der Wiener Kaffeehäuser, das Café Central, hat eine ganze Reihe von Intellektuellen durch seine Türen gehen sehen. Eine der amüsantesten Geschichten handelt von Leo Trotzki, der das Café besuchte, bevor er zu einer führenden Figur der russischen Revolution wurde. Man erzählt sich, dass die Stammgäste ihn scherzhaft als den „Mann mit dem Spitzbart, der immer Schach spielt“ bezeichneten, ohne zu ahnen, welche historische Rolle er später spielen würde.
- Café Hawelka: Dieses Café hat einen böhmischen Charme und war lange Zeit mit Künstlern und Schriftstellern verbunden. In den Nachkriegsjahren war es ein Treffpunkt für die Avantgarde der Stadt, darunter der Dichter H.C. Artmann und der Maler Friedensreich Hundertwasser. Leopold Hawelka, der ursprüngliche Besitzer des Cafés, servierte bis in seine 90er Jahre hinein Kaffee und begrüßte die Gäste oft persönlich. Noch heute wird das Café von seinen Nachkommen geführt, die sich den Charme der alten Welt bewahrt haben.
- Café Landtmann: Politiker, Theaterbesucher und Intellektuelle haben das Café Landtmann seit langem als ihr bevorzugtes Kaffeehaus gewählt. In den 1930er Jahren war es ein häufiger Aufenthaltsort von Sigmund Freud, der hier bei einer Tasse Kaffee über seine bahnbrechenden psychologischen Theorien nachdachte.
- Café Sperl: Das Café Sperl ist bekannt für seine klassischen Billardtische und bietet eine entspannte und doch anspruchsvolle Atmosphäre. Eine der kuriosesten Geschichten, die sich um das Café ranken, handelt von dem Maler Egon Schiele, der angeblich Skizzen als Zahlungsmittel hinterließ, wenn er knapp bei Kasse war. Heute wären diese Skizzen ein kleines Vermögen wert.
- Café Schwarzenberg: Als eines der ältesten Kaffeehäuser der Ringstraße war das Café Schwarzenberg eines der wenigen, das die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Zweiten Weltkriegs überlebte. Es blieb während der Nazizeit geöffnet und bot einen seltenen Ort der Normalität inmitten der Unruhen.
Tradition heute
Die Wiener Kaffeehäuser sind zwar geschichtsträchtig, aber nicht nur Relikte der Vergangenheit. Diese Lokale dienen weiterhin als lebendige Museen der Wiener Kultur, in denen altehrwürdige Bräuche fortbestehen. Im Gegensatz zu modernen Kaffeehäusern, in denen man schnell einen Kaffee zum Mitnehmen trinken kann, laden die traditionellen Wiener Kaffeehäuser zum Verweilen ein. Ob man nun an einer Wiener Melange nippt, während man die Zeitung liest, oder ein Stück Apfelstrudel genießt, während man das Treiben der Welt beobachtet, diese Kaffeehäuser bieten einen Zufluchtsort von stiller Eleganz.
Die besten traditionellen Kaffeehäuser in Wien
1. Café Central
- Adresse: Herrengasse 14, 1010 Wien
- Eröffnet: 1876
- Besonderheiten: Eines der berühmtesten Kaffeehäuser Wiens, bekannt für sein grandioses Interieur, das an das Wiener Fin de siècle erinnert. Hier trafen sich einst Gäste wie Sigmund Freud, Leo Trotzki und Arthur Schnitzler. Die gewölbten Decken, Marmorsäulen und Kronleuchter des Cafés sorgen für eine königliche Atmosphäre. Ein Highlight ist die Konditoreiauswahl.
- Empfehlung: Wiener Melange und Sachertorte
2. Café Hawelka
- Adresse: Dorotheergasse 6, 1010 Wien
- Eröffnet: 1939
- Besonderheiten: Ein gemütliches, intimes Kaffeehaus mit Vintage-Atmosphäre. Das Café wurde über Generationen von der Familie Hawelka geführt und war Mitte des 20. Jahrhunderts ein Hotspot für Künstler und Intellektuelle. Bekannt für seine berühmten Buchteln, hat sich das Lokal den Boheme-Geist seiner Vergangenheit bewahrt.
- Empfehlung: Hawelkas legendäre Buchteln
3. Café Eiles
- Adresse: Josefstädter Straße 2, 1080 Wien
- Eröffnet: 1840
- Besonderheiten: Abseits der ausgetretenen Touristenpfade ist dieses Café bei den Einheimischen wegen seiner ruhigen und entspannten Atmosphäre sehr beliebt. Mit großen Fenstern, dunklen Holzmöbeln und einer klassischen Wiener Einrichtung ist es der perfekte Ort, um stundenlang zu lesen oder das Leben zu beobachten.
- Empfehlung: Kleiner Brauner und Apfelstrudel
4. Café Diglas Wollzeile
- Adresse: Wollzeile 10, 1010 Wien
- Eröffnet: 1875
- Besonderheiten: Ein charmantes Café im Stadtzentrum mit einer nostalgischen, einladenden Atmosphäre. Diglas ist bekannt für seine Torten und Mehlspeisen, die in einer schönen Vitrine präsentiert und mit traditioneller Wiener Herzlichkeit serviert werden.
- Empfehlung: Wiener Melange und Esterházy-Schnitte
5. Café Prückel
- Adresse: Stubenring 24, 1010 Wien
- Eröffnet: 1903
- Besonderheiten: Das Café Prückel ist ein Schmuckstück mit einer Inneneinrichtung aus den 1950er Jahren und ein Treffpunkt für Künstler, Schriftsteller und alle, die den Charme der alten Schule schätzen. Die großen Fenster und viel natürliches Licht machen es zu einem einladenden Ort zum Entspannen.
- Empfehlung: Verlängerter und Topfenstrudel
6. Café Landtmann
- Adresse: Universitätsring 4, 1010 Wien
- Eröffnet: 1873
- Merkmale: Ein elegantes Kaffeehaus, das von Politikern, Künstlern und Denkern besucht wird. Das luxuriöse Interieur und die erstklassige Lage in der Nähe des Burgtheaters und der Universität machen das Café Landtmann zu einer beliebten Institution.
- Empfehlung: Wiener Melange und Apfelstrudel
7. Café Sperl
- Adresse: Gumpendorfer Straße 11, 1060 Wien
- Eröffnet: 1880
- Besonderheiten: Mit seinem Interieur aus der Jahrhundertwende strahlt das Café Sperl die Eleganz des alten Wien aus. Hier kann man nicht nur einen Kaffee trinken, sondern auch eine Partie Billard spielen, und das in einem Ambiente, das einem Roman entsprungen ist.
- Empfehlung: Wiener Melange und Sperl-Torte
8. Café Schwarzenberg
- Adresse: Kärntner Ring 17, 1010 Wien
- Eröffnet: 1861
- Besonderheiten: Das älteste Kaffeehaus auf Wiens berühmter Ringstraße bietet eine Mischung aus Pracht und Komfort. Die Spiegel, Kristallluster und Plüschsitze schaffen ein luxuriöses Ambiente. Es ist bei Einheimischen und Besuchern gleichermaßen beliebt.
- Empfehlung: Einspänner und Gugelhupf
Diese traditionellen Wiener Kaffeehäuser bieten nicht nur hervorragenden Kaffee und Desserts, sondern auch eine einzigartige Gelegenheit, die Geschichte und die Seele Wiens zu erleben. Egal, ob Sie ein Besucher oder ein Einheimischer sind, ein Besuch in einem dieser Cafés ist wie eine Reise in die Vergangenheit, bei der Sie das langsame Tempo und die zeitlose Eleganz der Wiener Kultur genießen können.